war ich, so wie ich es wohl auch am Ende sein werde.
Ich wurde im Jahre 1965 geboren, an einem Montag. Ansonsten kein besonderer Tag, außer das dort der Gesamtvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Düsseldorf beschließt, eine Delegation nach Moskau zu entsenden, die die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Gewerkschaftsbund prüfen soll.
Ich hoffte mein Leben wird spannender. Es war an diesem Tag mit 0,9C recht kalt für November, ein richtiges Uselwetter, wie man hier im tiefsten Ruhrgebiet zu sagen pflegt. Und dann musste meine Mutter noch raus zum Krankenhaus. Ich hatte es allerdings noch recht trocken und daher störte es mich nicht sonderlich. Später habe ich oft gedacht, ich wäre lieber ein Sommerkind geworden. Meine Geburtstage waren oftmals geprägt durch schlechtes Wetter, Herbstdepressionen und Friedhofsbesuche.
Wir fuhren also nach Bottrop, obwohl wir in Oberhausen wohnten, da das Krankenhaus in unserem Wohnort etwas komisch in Bezug meiner Eltern war. Es war eine Zeit in der manche Krankenhäuser etwas merkwürdig reagierten, wenn man nicht kirchlich verheiratet war und so beschloss meine Mutter diese aus der heutigen Zeit betrachtet merkwürdigen Vorwürfe zu umgehen, in dem sie den Nachbarort aufsuchte. Als sie sich am frühen Abend dort einfand musste sie allerdings feststellen, dass hier die Schwestern wohl kein Problem mit der Glaubensrichtung der Patienten hatten, sehr wohl aber, wenn jemand Schmerzen hörbar äußerte. „Stellen Sie sich nicht so an“ wurde Sie nach einiger Zeit mehrmals angefurzt.
Wie spät es genau war, wie lange die Geburt dauerte oder wie schwer ich war, als ich aus der Dunkelheit ins Licht trat, ist nicht überliefert und ein Blick in meine Geburtsurkunde war mir zu mühselig und nicht wichtig genug. Ich verstehe bis heute nicht, wieso Mütter sich darüber austauschen, denn Hauptsache das Kind ist gesund und das war ich lt. Aussage der Ärzte. Ich war allerdings kein schwerer Brocken, sagte mir meine Mutter später.
Ich bin das vierte Kind meiner Eltern und langsam wurde es eng in unseren vier Wänden. Neben mir gab es noch Wolfgang, Manfred und Angelika, die fast im jährlichen Abstand zur Welt kamen. Ob dies nun an der damaligen Zeit, der Zuneigung meiner Eltern oder fehlenden Verhütung lag, erfuhr ich nie. So kam dann auch noch zwei Jahre später ein weiterer Junge zu uns, Jürgen, und ab hier hieß es dann wohl endgültig stopp. Die Antibabypille war nach ihrer Markteinführung derart revolutionär und wurde gesellschaftlich und politisch so wenig akzeptiert, dass sie bis Ende der 1960er Jahre in Deutschland nur von sehr wenigen Ärzten und auch von diesen nur mit großer Zurückhaltung und ausschließlich als Mittel zur Behebung von Menstruationsstörungen und zudem nur an verheiratete Frauen verschrieben wurde, die schon 3 oder 4 Kinder hatten und über 30 Jahre alt waren.
Zu dieser auserwählten Zielgruppe gehörte meine Mutter und ab da gab es dann keinen Nachwuchs mehr.
Wir wohnten in Osterfeld, einen Stadtteil von Oberhausen, der geprägt war durch Genossenschaftsbauten und Zechensiedlungen. Es war und ist wohl der klassische Pott, so wie man ihn sich vorstellte.
Meine Kindheit war recht unaufgeregt und geprägt von den finanziellen Nöten meiner Eltern. Wir hatten genug zu essen und auch an Kleidung mangelte es mir nicht, aber es war schon immer die Einfachheit der Dinge, die meine Kindheit prägte. Urlaub oder andere größere Anschaffungen, so wie es heutzutage bei den Kindern üblich ist, fanden einfach nicht statt.
Aber das ist es nicht was ich vermisste. Das was ich nicht bekam, kostete nichts und noch heute frage ich mich, woran es lag. Ich vermisste Zuneigung und elterliche Liebe. Und so entwickelte ich schon im zarten Kindesalter den Gedanken, dass ich es nicht Wert sei, geliebt zu werden. In dieses Gefühl falle ich noch heute, über 50 Jahre später, oft zurück. Und auch, wenn ich selbstbewusst bin oder zumindest so wirke, so kann ich mit normaler Ablehnung oder mangelnder Anerkennung und Zuneigung nur schwierig umgehen.
In vielen Begegnungen und späteren Ereignissen erkannte ich so oft den Grund meines „komischen“ Verhaltens.
Ich schaffte es so schon schnell alleine klar zu kommen. Mit fünf Jahren sollte ich und kam es dann auch, in die Schule. Ich war das jüngste Kinde in der Klasse. Körperlich war ich groß geraten, sehr schlank und viel vor allem durch meine riesigen abstehenden Ohren auf. Ich habe kaum Erinnerung an meine Grundschulzeit, nur dass ich hatte damals schon einen besten Freund hatte. Michael, der direkt gegenüber von mir wohnte und so gab es kaum außerschulische Kontakten zu den anderen Klassenkameraden.
Nur einmal wurde ich zu einem Kindergeburtstag eingeladen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es in dem Haus ein Schwimmbad im Keller gab, aber das war schon Alles.
Die freie Zeit verbrachte ich lieber mit meinen Freunden außerhalb der Schule. Auf Wunsch meines Vaters und weil es, auch Manfred bereits gemacht hatte, wurde ich zum Fußball angemeldet. Ich spielte auch in meiner Freizeit ab und an Fußball. So wie man das von Früher her noch kannte, auf irgendeinem Hinterhof oder Parkplatz. Mein Talent hielt sich in Grenzen. Da ich aber recht groß gewachsen war, gab ich einen recht guten letzten Mann ab. Ich brauchte auch nicht so viel rennen, da in den unteren Klassen noch nicht so taktisch mit Abseitsfallen gespielt wurde, oder ich habe nicht zugehört und es einfach nicht gemacht.
Im nicht Zuhören war ich recht gut, ich hatte oft etwas Anderes im Kopf, war ein Träumer und auch dem Kreativen hingetan. Ich fing früh mit dem Zeichnen an. Das machte mir mehr Spaß und einige sagen bis heute, ich habe durchaus Talent. Ich malte mich allerdings nicht selber, sondern zeichnete Jürgen Drews oder meinen Opa. Warum es diese Kombination war, weiß ich heute nicht mehr, auch hatten Beide keinerlei Ähnlichkeit.